Der Eicher ED 16/II
»Ist der Bauer reicher, fährt er einen Eicher!«
Fahren Sie ihn selber, den legendären Einzylinder-Eicher ED 16/II, Baujahr 1955. Durch eine gegenüber seinem kleinen Bruder EKL 15/II geänderte Nockenwelle verfügt der bullige und stabile ED 1a-Motor über 19 PS und nicht nur über 16 PS, wie aus seiner Typbezeichnung zu schließen wäre. Wenn Sie also erzählen, Sie seien »den 19er Eicher« gefahren, könnte das bei Ihrem Gegenüber schon etwas Neid hervorrufen.
Der unkomplizierte Schlepper hat einen kraftvollen, kernigen Klang und bietet viel Fahrspaß. Er erklimmt auch steile Anstiege souverän im höchsten Gang. Je nach Quelle wurde »der 19er« zwischen 2800 und 4100 Mal gebaut.
Starten Sie schon mal den Motor
Obwohl 1955 die neue Farbe alpenblau Einzug gehalten hatte, war dieser Schlepper noch grau lackiert. Neu gegenüber dem Vorjahresmodell ist die Kipphaube.
Technische Daten laut Bedienungsanleitung:
Motor: Eicher 1-Zylinder-Viertakt-Dieselmotor ED 1a mit 1425 ccm und 19 PS bei 1500 U/min
Der nach der damaligen Steuerformel errechnete Hubraum beträgt 1415 ccm
Getriebe: Hurth G 76 mit 5 Vorwärts- und 1 Rückwärtsgang
Höchstgeschwindigkeit: 19,6 km/h
Leergewicht 1630 kg, zulässiges Gesamtgewicht 1800 kg
Hochrad-Ausführung mit 8-32″- Hinterrädern
Erstzulassung am 4.4.56 in Regensburg mit Besatzungskennzeichen B-440-991 der amerikanischen Zone Bayern
Sitzplätze:
Fahrersitz: Mindestkörpergröße 1,65 cm. Max. Belastung 100 kg.
Beifahrersitze: 2 Kotflügelsitzbänke mit Nutzbreite von 75 cm und max. Belastung von 80 kg
Zu einem schlanken Erwachsenen kann daher ein Kind sitzen. Oder 2 Kinder pro Sitzbank.
Gell, da schaugst! Das Gaspedal ist in der Mitte, also links von der Bremse.
Anlassen des Motors:
Zuerst den Handgashebel bis auf Höhe der LL-Markierung zum Fahrer herziehen.
Zündschlüssel hineindrücken, so dass die Ladekontrollleuchte leuchtet. Schalthebel in Leerlaufstellung bringen, Kupplung nicht treten. Gaspedal durchtreten und bis zur ersten Zündung den Anlaßknopf eine Sekunde drücken (dabei »einundzwanzig« zählen). Der Motor zündet sofort und sobald er auf Leerlaufdrehzahl gekommen ist, nehmen Sie den Fuß vom Gas. Regeln Sie die Leerlaufeinstellung am Handgashebel nach, so dass die Ladekontrolle vollständig erloschen ist.
Schalten:
Es ist ein unsynchronisiertes Hurth-Getriebe G76 mit 5 Vorwärts- und einem Rückwärtsgang verbaut. Im Übergang von der linken Ebene mit dem Rückwärts- und dem 1. Gang zur mittleren Ebene bemerken Sie eine Stufe. Sie soll verhindern, dass Sie versehentlich statt dem Rückwärtsgang (links vorn) den 2. Gang (mitte vorn) einlegen.
Sie fahren im 4. Gang (rechts vorn) an und schalten mit durchgetretenem Kupplungspedal zügig, aber mit kurzer Pause im Leerlauf, hoch in den 5. Gang (rechts hinten). Da der Motor sehr niedertourig läuft, können Sie bei gefühlvollem Schalten auf die spezielle Bedienung eines unsynchronisierten Getriebes (doppelt kuppeln, Zwischengas) verzichten.
Zurückschalten auf den 4. Gang erfolgt im Stillstand. Selbst wenn man es könnte, kriegt man den langhubigen Einzylinder mit Zwischengas nicht so schnell hoch, wie der Traktor bergauf an Schwung verliert und dann steht man sowieso.
Abstellen des Motors:
Der Motor wird abgestellt, in dem Sie den Handgashebel ganz nach vorne drücken. Er läuft lange nach. Es lohnt sich, in den Leerlauf zu schalten, um Kupplung und Ausrücklager zu entlasten, und die Handbremse anzuziehen. Wenn der Motor vollständig zum Stillstand gekommen ist, ziehen Sie den Zündschlüssel heraus und legen einen Gang ein.
Was man zum Fahren eines Oldtimer-Traktors sonst noch wissen könnte, finden Sie auf der Seite »Traktor fahren«.
So kam er zu uns:
Er ist scheußlich schwimmbadblau lackiert, die Haube verbeult und es fehlen nur ein paar Dinge, die zum zuverlässigen Betrieb in der Vermietung nötig sind. So dachten wir erst. Bald wurde uns klar, dass wir mit unseren Ansprüchen um eine Komplettrestaurierung nicht herumkommen.
Die Getriebegehäuse wurden komplett leergeräumt, Abdachungen an den Zahnrädern abgeschliffen, sämtliche Lager und Wellendichtringe und sogar eine Welle ersetzt. Die Kupplung bekam eine neue Mitnehmerscheibe. Der Motor erhielt eine neue Laufbüchse und Kolben. Sämtliche Lackschichten (bis zu 4) wurden per Drahtbürste am Winkelschleifer entfernt. Jedes einzelne Teil, das wiederverwendet wird, musste mit der Drahtbürste entlackt und gereinigt werden. In den Sitz waren 4 Lagen Blech kreuz und quer eingebraten, die entfernt und durch eine neue Platte ersetzt wurden. An den Kotflügeln wurden Bleche eingeschweißt. Die Achsschenkel wurden aufgeschweißt und abgedreht, Lager und Buchsen erneuert. Die Bremsen wurden neu belegt, hintere Radlager und Dichtungen ersetzt. Das Lenkgetriebe wurde abgedichtet und frisch befüllt, die Lenkwelle erhielt ein neues Führungslager. Die Elektrik habe ich komplett entfernt und mit neuen Leitungen verdrahtet, an der Beleuchtung Reflektoren etc. ersetzt. Noch was vergessen? Mit Sicherheit!